Aktuelles aus dem Bereich Rechtssprechung

Inkrafttreten GKV-VSG zum 23.07.2015 – Das GKV-VersorgungsstärkungsGesetz ist in großen Teilen mit Wirkung zum 23.07.2015 in Kraft getreten. Es bringt für die Ärzteschaft zahlreiche Neuerungen mit sich, gerade auch im Bereich des Zulassungsrechtes:
So sind nunmehr auch fachgleiche MVZ zulassungsfähig, § 95 SGB V. Viele KVen werden diese Regelungen so umsetzen, dass – entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zu diesem Paragraphen – zwei hälftige (fachgleiche) Zulassungen ausreichen und diese zwei Zulassungen mit zwei Ärzten besetzt sein müssen.
Wie bereits vielfach und sehr kontrovers diskutiert, wurden die Regelungen zu einem etwaigen Praxisaufkauf in § 103 SGB V durch die KVen verschärft. So „soll“ nunmehr keine Nachbesetzung einer Zulassung erfolgen, wenn diese nicht versorgungsrelevant ist. Vorher hieß es diesbezüglich „kann“. Aktuell tendieren viele Zulassungsausschüsse dazu, von einer Versorgungsrelevanz auszugehen, wenn mindestens die Hälfte der durchschnittlichen Fachgruppenzahlen über den Sitz abgewickelt und/oder über die Abrechnung eine gewisse Mindestzeit nachgewiesen wird. Langfristig erscheint sowohl eine Verschärfung der Handhabung dieser Regelung als auch eine weitere Verschärfung der Formulierung („muss“ anstelle von „soll“) als gut möglich. So zum Beispiel auch die Empfehlung des Sachverständigenrates und die Wünsche der gesetzlichen Krankenkassen.
Als praktische Konsequenz hieraus empfiehlt sich eine langfristige Planung der Praxisabgabe, gerade wenn in den letzten Jahren nur niedrige Fallzahlen über die Praxis abgewickelt wurden. Auch erfordert die Komplexität der zulassungsrechtlichen Verfahrensvorschriften (regelmäßig: Nachbesetzungsverfahren, Ausschreibung, Zulassungsverfahren oder alternativ: Verzicht zu Gunsten einer Anstellung) eine immer größere Vorlaufzeit.

Aktuelle Gesetzgebungsvorhaben: § 299 a StGB-E – Antikorruptionstatbestand im Gesundheitswesen:

Seit längerem wird ein Gesetzesentwurf zur Strafbarkeit der Korruption im Gesundheitswesen diskutiert. Hierzu gab es, auch in der vergangenen Legislaturperiode, die verschiedensten Entwürfe. Im Februar 2015 hat das Bundesjustizministerium einen Entwurf vorgelegt, der zwischenzeitlich mit leichten Änderungen am 29.07.2015 im Bundeskabinett besprochen und verabschiedet wurde. So wurde im Regierungsentwurf das stark kritisierte Tatbestandsmerkmal der „Verletzung von Berufsausübungspflichten in sonstiger Weise“ konkretisiert und damit etwas eingeengt. Der Tatbestand fordert nunmehr die Verletzung „berufsärztlicher Pflichten zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit“. Die aktive Bestechung im Gesundheitswesen wurde nunmehr gesondert in § 299 b StGB-E verordnet.

Gesamt gesehen wurde also der Anwendungsbereich der geplanten §§ 299 a und
299 b StGB-E gegenüber der Entwurfsfassung des Bundesministeriums für Justiz etwas eingeschränkt. Dieser Regierungsentwurf wird nunmehr Bundesrat und Bundestag vorgelegt und könnte damit zum 01.01.2016 als Gesetz in Kraft treten.

Nachstehend auszugsweise (es werden auch die Folgeparagraphen angepasst) der Text des aktuell diskutierten Regierungsentwurfes:

§ 299a Bestechlichkeit im Gesundheitswesen

(1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial

  1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder
  2. seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Angehöriger eines Heilberufs im Sinne des Absatzes 1 einen Vorteil dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze.

§ 299b Bestechung im Gesundheitswesen

(1) Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a Absatz 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial

  1. ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder
  2. seine berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des Absatz 1 im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er bei dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze.

Anmerkung: Nach wie vor ist dieser Gesetzesentwurf von einer großen Unschärfe und Unbestimmtheit und verstößt damit gegen das im Grundgesetz in Artikel 103  verankerte Bestimmtheitsgebot. Nichtsdestotrotz ist zum Jahreswechsel mit einem Inkrafttreten der §§°299 a und 299 b ff. StGB-E zu rechnen, gegebenenfalls mit leichten Änderungen. Vor diesem Hintergrund kann nur dringend geraten werden, sämtliche Kooperationen auf eine rechtssichere Gestaltung zu überprüfen. So sind insbesondere Kooperationen an der Schnittstelle ambulant-stationär (namentlich Honorararztverträge) sowie mit Zuweisungsempfänger und Partnern aus dem Heil- und Hilfsmittelbereich betroffen.

Die Zielsetzung des Gesetzesentwurfes gegen unlautere Kick-back-Modelle vorzugehen ist nachvollziehbar. Derartige Modelle waren auch bislang unzulässig, wurden allerdings nur berufs- und sozialrechtlich geahndet und waren nicht strafbewehrt. Durch die Einbeziehung in das Strafgesetzbuch droht hier bei Verdacht auf das Vorliegen eines strafrechtsrelevanten Verhaltens eine völlig andere Dimension. Dem entsprechend haben auch die Staatsanwaltschaften bereits aufgerüstet. So wurden alleine in Bayern im Oktober 2014 drei neue Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet. Der Vorteil ist, dass diese über mehr Fachkompetenz in Bezug auf das Vertragsarztrecht und seine Besonderheiten verfügen. Andererseits steht auch zu befürchten, dass diese - natürlich – ihre Existenzberechtigung nachweisen wollen und möglicherweise verstärkt Verfahren aufgreifen. Und dies mit sämtlichen Konsequenzen wie Durchsuchung, Vermögensbeschlagnahme, Beschlagnahme von Akten und Rechnern etc. Dies gilt umso mehr als, wie zuvor ausgeführt, der Tatbestand nach wie vor sehr weit und unbestimmt gefasst ist und somit durchaus auch grundsätzlich wünschenswerte Gestaltungen unter dieses Raster fallen können.

Rechtsprechung - Urteile des BFH vom 16.07.2014 und 27.08.2014 (veröffentlicht Anfang 2015):

Die vorgelegten Entscheidungen entsprechen der bisherigen Entwicklung der Rechtsprechung zur Gewerbesteuer bei Ärzten und führen diese weiter fort. So wird festgestellt, dass Praxen, die angestellte Ärzte beschäftigen, Gefahr laufen, gewerbesteuerpflichtig zu werden, wenn die Arbeitgeber ihre angestellten Ärzte nicht intensiv genug überwachen. Nach dem BFH kann nur dann von einer höchstpersönlichen Leistungserbringung der Ärzte (welche eine Gewerbesteuerpflicht ausschließt) gesprochen werden, wenn diese die Behandlung durch den angestellten Arzt überwachen und gerade in schwierigen Fällen die Behandlungsentscheidungen selbst treffen. Insoweit also im steuerrechtlichen Sinn der Behandlung ihren persönlichen „Stempel“ aufdrücken.

Dies ist vor dem Hintergrund einer Entwicklung bei den Betriebsfinanzämtern zu sehen, dass sich der Schwerpunkt der Betriebsprüfung zunehmend auf die Einnahmenseite verlagert. Vollständigkeit und Plausibilität der Betriebseinnahmen werden erprobt und das jeweilige Leistungsangebot wird auf eine mögliche Umsatzsteuerpflicht geprüft. Darüber hinaus werden Organisationsform (Stichworte: Null-Beteiligungsgesellschaft; Praxisgemeinschaft) und Leistungsangebot auf gewerbesteuerliche Konsequenzen geprüft.

Konkrete Risiken bei angestellten Ärzten:

  • Beschäftigt ein Arzt mehr als drei angestellte Ärzte, so geht die Rechtsprechung regelmäßig davon aus, dass er ebenfalls deren Tätigkeit nicht entsprechend den obigen Prämissen überwachen und prägen kann somit gewerbesteuerpflichtig ist.
  • Vorsicht ist ebenfalls geboten bei Beschäftigung eines angestellten Arztes in einer Filiale. Hier sollte bezüglich der tatsächlichen und auch rechtlichen Gestaltung darauf geachtet werden, dass der Arbeitgeber die Tätigkeit des angestellten Arztes überwachen und – entsprechend den oben dargestellten Anforderungen der Rechtsprechung – prägen kann. Dies hilft insbesondere Filialpraxen, die in größerer Entfernung von Stammsitz betreiben werden.
  • Ebenso ist Vorsicht geboten bei Modellen zur Praxisübernahme bzw. Praxisabgabe, in denen übergangsweise ein Arzt in einem MVZ oder einer BAG angestellt wird. Hier droht darüber hinaus die Gefahr der Infektion mit der Gewerbesteuerpflicht der gesamten Einnahmen der BAG bzw. des MVZ, wenn die obigen Vorgaben nicht entsprechend beachtet werden.